sergey bratkov

Jahresrückblick 2024

Jahresrückblick 2024

Liebe Freundinnen und Freunde der Künste und Musen,

das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu — ein Jahr, in dem wir uns intensiv mit drängenden Fragen auseinandergesetzt haben. Zum Beispiel damit was Erinnerung und Identität in einer zunehmend fragmentierten Welt bedeuten. Wir haben neue Perspektiven auf historische Erbschaften und persönliche Erzählungen eröffnet und dabei immer wieder erfahren, wie tief die Kunst in die Fragen unserer Zeit eingreifen kann. Rückblickend möchten wir einige zentrale Momente des Jahres Revue passieren lassen, die nicht nur künstlerische Projekte, sondern auch den intellektuellen Austausch in den Mittelpunkt gestellt haben.

Eröffnungsworte der Kuratorinnen JMH Schindele und Eleonora Frolov am 17. August 2024

Eröffnungsworte der Kuratorinnen JMH Schindele und Eleonora Frolov am 17. August 2024

Die Ausstellung „Neue Erinnerungen (El Arbi Bouqdib Archive)“
August bis Oktober im Pumpwerk Berlin: Identität als kollektive Erzählung

An einem neuen Ort, im ehemaligen Wasserwerk Altglienicke im Süden Berlins, eröffnete im August die Ausstellung „Neue Erinnerungen“. Ein Meilenstein in diesem Jahr, die die Vielschichtigkeit von Erinnerung und Identität anhand des autopoetischen Archivs von El Arbi Bouqdib thematisierte. Die Ausstellung war nicht nur eine Auseinandersetzung mit dem Werk und Leben eines außergewöhnlichen Denkers und Außenseiters, sondern auch ein Raum, in dem Erinnerung als fließendes, dynamisches Konzept multibler Autorinnen dargestellt wurde. Bouqdibs Archiv, das sowohl Wissenschaft, Philosophie als auch mystische Überlegungen vereint, bildete den Ausgangspunkt für die Arbeiten von neun herausragenden Künstlerinnen und Künstlern, die diesen komplexen Kosmos auf ihre eigene Weise interpretierten.

Die Installation „Die Blume und der Tod“

Die Installation „Die Blume und der Tod“

Die Werke der Künstlerinnen und Künstler

Die in der Ausstellung präsentierten Werke waren nicht nur ästhetische Objekte, sondern spiegelten eine tiefere philosophische Auseinandersetzung mit der Natur der Erinnerung, der Digitalisierung und der Konfrontation zwischen Glauben und Wissenschaft wider. Sergey Bratkovs Installation setzte sich mit dem Koran-Code und der Zahl 19 auseinander, während Elshan Ghasimi mit ihrem Konzeptalbum „Die Blume und der Tod“ und der gleichnamigen Videoinstallation von Stark & Shakupa, verschmelzen klassische persische Musik mit moderner Biographik und konzeptueller Kunst. Ben Greber beleuchtete mit „Mr. & Mrs. Bouqdib“ die Beziehung des ungleichen Paares, während Michal MartychowiecPatrick Panetta und Max Schaffer mit ihren Arbeiten tief in Fragen von Erinnerung und Materialität eintauchten.

Eröffnung Neue Erinnerungen 2024

Veranstaltungen als Orte des intellektuellen Austauschs

Neben der Ausstellung bereicherten zahlreiche Veranstaltungen unser Programm und festigten die Verbindung von unterschiedlichen Künsten, Kulturen und intellektuellem Diskurs. Das Konzert von Elshan Ghasimi und Philipp Püschel, das auf faszinierende Weise die Grenze zwischen klassischer persischer Musik, Jazz und elektronischen Klängen verschob, war ein weiterer Höhepunkt, der Kunst als Brücke zwischen verschiedenen Kulturen und Traditionen erlebbar machte. Ebenso boten die Gespräche und Kuratorinnenführungen mit den beteiligten Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen tiefgehende Einblicke in die Werke und deren philosophische, historische und künstlerische Dimensionen.

Mit einem Klick auf das Foto gelangen Sie zum Trailer des 2024 gegründeten DUOs Ghasimi & Püschel und ihres neuen Programms SHANAMEH (Das Buch der Könige).

Fellowship für Sergey Bratkov

Im Jahr 2024 ehrte der Berliner Senat den renommierten ukrainischen Künstler Sergey Bratkov mit der Fellowship „Weltoffenes Berlin“ sowie einem Stipendium, das ihm ermöglichte, seine künstlerische Position und Stimme in seiner neuen Wahlheimat Berlin weiter zu etablieren. Begleitet wurde Bratkov von der Kuratorin Eleonora Frolov. Bereits zum zweiten Mal fungierte die Plattform Bublitz als Trägerin der Fellowship. In dieser Zeit nahm Bratkov an zahlreichen bedeutenden Ausstellungen und Biennalen teil. Zu den bemerkenswerten Projekten zählen My Brother's Cats im Kunstmuseum Magdeburg, die Ausstellung Ukrainian Dreamers in der Kommunalen Galerie Berlin und Sense of Safety im Yermilov Centre in Charkiw — um nur einige zu nennen. Mit der Class „Bratkov + Frolov“ haben Sergey Bratkov und Eleonora Frolov eine Reihe inspirierender Workshops zur konzeptuellen Fotografie in der Schwartzschen Villa durchgeführt. Interessierte können Einblicke in Bratkovs neues Atelier oder seine aktuellen Werke erhalten; Führungen sind auf Anfrage per E-Mail buchbar.

Eine seiner neuen Arbeiten Horoskop für die Europäische Union für die Ausstellung „Neue Erinnerungen“, zeigt einen Kaktus, der sich nicht entscheiden kann, ob er im Topf verbleiben oder diesen verlassen möchte – eine kraftvolle Metapher für die Unentschlossenheit und die Herausforderungen unserer Zeit.

Eine seiner neuen Arbeiten Horoskop für die Europäische Union für die Ausstellung „Neue Erinnerungen“, zeigt einen Kaktus, der sich nicht entscheiden kann, ob er im Topf verbleiben oder diesen verlassen möchte – eine kraftvolle Metapher für die Unentschlossenheit und die Herausforderungen unserer Zeit.

Gruß und Ausblick auf 2025

Wir blicken zuversichtlich auf das neue Jahr und laden Sie ein, sich schon jetzt auf kommende Werke wie Elshan Ghasimis neuen Arbeitszyklus TASNEEF zu freuen, der am 17. März in der Katholischen Akademie Berlin Premiere feiert.

Zum Abschluss möchten wir uns bei allen bedanken, die das Jahr 2024 mit uns gestaltet haben: unseren Künstlerinnen und Künstlern, Förderpartnerinnen, Besucherinnen, Partnerinstitutionen, Philanthropinnen und allen anderen, die mit ihrem Engagement unsere Arbeit erst möglich machen.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für einen besinnlichen Jahresausklang,

Eleonora Frolov & JMH Schinde

Mr. & Mrs. Bouqdib

Wer noch ein passendes Geschenk zum Jahresende sucht: Es gibt eine exklusive Edition von Ben Grebers Werk „Mr. & Mrs. Bouqdib“. Die ‚Erinnerungsblumen‘ aus Maggie Bouqdibs Garten sind aus El Arbi Bouqdibs Taschenrechner-Speicherkarten geschnitten. Eine erstaunliche, funkelnde und strahlende Synthese zweier Welten, ja Kosmen.

Edition: 18 Unikate aus der Installation „Mr. and Mrs. Bouqdib“
BestellungHier klicken

Ein weihnachtlicher Gruß aus der Dunkelheit: Michal Martychowiecs „What remains the poets provide“. Was bleibet aber, stiften die Dichter.

Ein weihnachtlicher Gruß aus der Dunkelheit: Michal Martychowiecs „What remains the poets provide“. Was bleibet aber, stiften die Dichter.

© Fotos: Stefan Haehnel, Arne Ahlert, Timo Kahlisch, Michal Martychowiec

Posted by Joseph in Aktuelles
Fellowship Sergey Bratkov | Partnerschaft Eleonora Frolov

Fellowship Sergey Bratkov | Partnerschaft Eleonora Frolov

Sergey Bratkov: Fuck a Star (1989)

Sergey Bratkov: Fuck a Star (1989)

Sergey Bratkov ist Fellow von Bublitz 2024
Partnerschaft mit der Kuratorin Eleonora Frolov

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Als Regimekritiker, politischer Künstler und gebürtiger Ukrainer, ist Sergey Bratkov nicht der erste und mit Sicherheit nicht der letzte, der gezwungen ist und sein wird, Russlands eingeschlagenen Weg für immer verlassen zu müssen:

Das Schicksal Bratkovs und tausender anderer Dissidenten und Intellektuellen wiederholt sich gegenwärtig und erinnert an die verheerenden Repressionen unter Stalin. Mit einer nie dagewesenen Härte und Brutalität drängt der Machtanspruch des Kremls bis weit nach Europa hinein. Hätte Bratkov es je für möglich gehalten, dass sein Lebensweg ihn nach Deutschland führt – nachdem er sich 1995 mit der Fast Reaction Group in der Ausstellung „Wenn ich ein Deutscher wäre?“ mit den Grausamkeiten der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt hatte?

Sergey Bratkov: “Endless War” Video Still (2010)

Sergey Bratkov: “Endless War” Video Still (2010)

Fast 30 Jahre später und nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, kam Bratkov über die Organisation Artist at Risk nach Deutschland. Diese bietet Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern, deren Freiheit und Leben in Gefahr sind.

Für 2024 würdigt der Berliner Senat Bratkov mit der Fellowship ‚Weltoffenes Berlin‘ und einem Stipendium zur Etablierung seiner künstlerischen Position und Stimme in der neuen Wahlheimat. Bublitz ist Ausrichterin des Stipendiums; Bratkov wird in dieser Zeit von den künstlerischen Leiterinnen Eleonora Frolov und JMH Schindele gefördert und unterstützt. Bublitz ist, nach der Zusammenarbeit 2022 mit der ebenfalls verfolgten iranischen Musikerin und Komponistin Elshan Ghasimi, bereits zum zweiten Mal Projektpartnerin des Senats.

Sergey Bratkov, courtesy of the artist (2017)

Sergey Bratkov, courtesy of the artist (2017)

Link zu der Ausstellung ‚Heldenzeiten‘ von Sergey Bratkov in den Hamburger Deichtorhallen.

Über zwei Dekaden lehrte Bratkov, der 2007 die Ukraine auf der Biennale in Venedig vertrat, als Professor an der Rodschenko Universität der Künste und bildete zwei Generationen junger Talente aus ganz Osteuropa aus. Als Vertreter der Kharkiwer Schule der Fotografie ist seine Arbeit aktuell in der Ausstellung Ukrainian Dreamers in der Kommunalen Galerie Berlin zu sehen. Das Kunstmuseum Magdeburg richtet ihm und seinen Werken im Sommer 2024 eine Einzelausstellung aus und in Zusammenarbeit mit Bublitz werden künftige Ausstellungsformate entwickelt und konkretisiert.

Auch wenn Sergey Bratkov seine künstlerische Heimat verlassen musste, so ist ihm doch das grausame Schicksal vieler anderer kritischer Stimmen erspart geblieben. Dank der Unterstützung von Freunden, des Berliner Senats und nicht zuletzt von Bublitz kann Bratkov nun im Exil seiner einzigartigen Bildsprache nachgehen und sie in Sicherheit weiterentwickeln.

Die Erweiterung und der Fokus auf Osteuropa entsteht durch die Zusammenarbeit mit der Ausstellungsmacherin Eleonora Frolov. Sie setzt sich federführend mit den Positionen aus Zentral- und Osteuropa und deren Arbeitsweisen, welche durch tiefe Spuren und Risse des ehemaligen Ostblocks geprägt sind, auseinander. Frolov und JMH Schindele gestalten als künstlerische Leitung in Zukunft gemeinsam das Programm der Plattform.

Für Interviewanfragen, Atelierbesuche und weitere Informationen melden sich Interessierte gerne hier.

Herzlich
Eleonora Frolov & JMH Schindele

Sergey Bratkov: “Mona Bucha” aus der Serie “Lost“ (2022)

Sergey Bratkov: “Mona Bucha” aus der Serie “Lost“ (2022)

Partner der Fellowship Weltoffenes Berlin:

Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Posted by Joseph in Aktuelles