Elshan Ghasimi
Elies Miniatures

Elies Miniature I - Ein Garten singender Dinge
Elies Miniature II - Archivblumen [19 Disketten]

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eine Bublitz Thesaurós Produktion
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Komposition und musikalische Objektinterpretation – Elshan Ghasimi
photographische Objektinterpretation – Michal Martychowiec
Objekte – El Arbi Bouqdib Archive
Gastkünstler – Marcel Duchamp
Konzept & künstlerische Leitung – Julian Malte Hatem Schindele

Elshan Ghasimi
Elies Miniatures

Elies Miniature I - Ein Garten singender Dinge
Elies Miniature II - Archivblumen [19 Disketten]

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eine Bublitz Thesaurós Produktion
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Komposition und musikalische Objektinterpretation – Elshan Ghasimi
photographische Objektinterpretation – Michal Martychowiec
Objekte – El Arbi Bouqdib Archive
Gastkünstler – Marcel Duchamp
Konzept & künstlerische Leitung – Julian Malte Hatem Schindele


EINFÜHRUNG: DAS ELARBI BOUQDIB ARCHIVE UND ELIES MINIATURES

Als El Arbi Bouqdib im März 2016 in Bremen verstarb, hinterließ er maßlose und noch zu vermessende Geheimnisse. Um seinen Nachlass zu verwalten und zu strukturieren, wurde 2017 das El Arbi Bouqdib Archive gegründet. Als Teil von Bublitz Thesaurós hat es das Anliegen, aus dem Leben und von der Arbeit Bouqdibs zu berichten.

Anfang 2018 wurde ein neues Format, ein neuer Ausstellungszyklus ins Leben gerufen. Ausgehend von der Arbeit der klassischen persischen Musikerin Elshan Ghasimi, werden unterschiedliche künstlerische Genres und die divergierende Arbeit unterschiedlicher Autoren zusammengeführt und miteinander verknüpft.

Am 4. Juni selben Jahres wurden in Berlin und am 10. Juni in Bremen die ersten 38 Kompositionen aus der Reihe Elies Miniatures uraufgeführt. Ein Zentaur aus Konzert und Ausstellung entsteht: Concert-Exhibitions.

Elies Miniatures ist dabei das von Elshan Ghasimi ausgehende Projekt der Interpretation, Inszenierung und Übersetzung von Gegenständen aus Bouqdibs Nachlass in die weiten Sphären der Künste. Miniaturen versteht Ghasimi dabei als besonders verdichtete und konzentrierte Formen der Komposition. Sie hat ihren Kollegen, den polnisch-britischen Konzeptkünstler Michal Martychowiec eingeladen, die besungenen Objekte photographisch zu inszenieren. Dieser haucht den Relikten in seinen Photographien weitere Dimensionen spielerischer Individualität ein.

Die kuratorische Arbeit, Auswahl, Benennung und sinnfällige Anordnung, sind der Versuch eine von myriaden von möglichen Geschichten zu erzählen. Dabei sind die Namen der Objekte und Photographien, manchmal schlicht und sachlich, manchmal poetisch enigmatisch, weitere Schlüssel in einem Netz aus Symbolen und Hinweissystemen.

El Arbi Bouqdib in der Schweiz (früher 70er)

1-1 Magnetfeldgenerator | Magnetic Field Generator (frühe 90er)

1-4 Rosicrucian Ephemeris 1900-2000: At Midnight, 0 Hour Tdt |
April 1947 – May 1947 (1984)

1-11 HP-41CX (frühstens 1983)


EIN NETZ AUS MUSIK UND SYMBOLEN UND MUSIK

„Jedes Ding hat einen Mund, man muss nur still genug sein, seine Stimme zu hören“, sagt Elshan Ghasimi und nimmt uns mit auf eine Reise in neue und imaginäre Räume. Sie ist Führerin durch einen Garten singender Dinge. Gemeinsam begeben wir uns auf die Spuren, die der Mathematiker und Koranforscher, Chemiker und Magier, Dichter und Programmierer El Arbi Bouqdib hinterlassen hat. Verstecken heißt Spuren legen. Aber unsichtbare.


ELIES MINIATURES I | EIN GARTEN SINGENDER DINGE

 

1-2 Les Amis de l'Orient (1983)

1-6 Führerausweis # 310723 | Permis de conduire # 310723
(17. Dezember 1974)

1-3 Was ist Übersetzung? | In Search of Translation (1983)

Nun befinden Sie sich in der ersten Concert-Exhibitions. Einem neu entwickelten Format, das die Praxis unterschiedlicher künstlerischer Genres zusammenführt und miteinander verknüpft. Sie befinden sich in einem Konzert, das im selben Moment eine Ausstellung ist. Zeit und Raum verschränken sich hier in der chronologischen Abfolge von Musik. Die besungenen Gegenstände aus dem El Arbi Bouqdib Archive finden in unseren inneren Klang- und Anschaungs-Räumen ihre Ordnung.

38 Kompositionen und Photographien zu 38 Relikten, gefasst in zwei Serien mit jeweils 19 Gegenständen, bilden die ersten beiden Kapitel, einen ersten Chor, die aus dem Leben Bouqdibs berichteten.

Sie sind Ein Garten singender Dinge und Archivblumen [19 Disketten].

Ein Garten singender Dinge heißt das erste Kapitel dieser auf mehrere Jahre und viele Etappen angelegten Entdeckungs- und Abenteuerreise. Hier greifen wir zentrale Motive aus dem Leben Bouqdibs auf: Die Vermischung von Wissenschaft und Glaube, Magie, Mathematik, Computertechnologie und Poesie. Neben wichtigen Instrumenten seiner Arbeit, steht ein von Bouqdib verfasstes Buch: Mathematics of Thinking. Und Relikte, die auf einige der vielen Stationen seines Lebens deuten.

 


ELIES MINIATURES II | ARCHIVBLUMEN

 

Die Diskette lässt sich als ein beinahe archetypisches Speichermedium verstehen. Heute hat sie bereits ausgedient. Im Zusammenhang der Concert-Exhibition steht sie für die Funktion des Archivs überhaupt. Eine Serie an Kompositionen zu 19 Disketten bildet eine zusammenhängende Erzählung in einem Zirkel des klassischen persischen Melodienrepertoires, des Radifs.

Exemplarisch haben wir hier WIN WORD ARAB 6.0 und BIOS – Passwort weg abgedruckt. Erstere deutet u.a. auf Bouqdibs Herkunft, 1947 in eine Sufifamilie in Marokko geboren, auf die Sprache des Propheten und des Korans. Der BIOS hingegen war/ist das innere Herzstück von PCs. Die Übereinstimmung dieses Begriffs mit dem altgriechischen Wort ‚Bios‘ (zu deutsch Leben) ist eine Anspielung darauf, dass einem Computer mit dieser so benannten Software quasi Leben eingehaucht wird. Dass das Passwort fehlt, können wir als Verweis auf die generelle Schwierigkeit der Rekonstruktion von Vergangenheit verstehen.

DISK2GO

SCHWARZER MONOLITH


EINIGE WEITERFÜHRENDE GEDANKEN UND FRAGMENTE ZUR ARBEIT MIT DEM EL ARBI BOUQDIB ARCHIVE
UND ZUM AUSSTELLUNGSZYKLUS ELIES MINIATURES

 

GHASIMI ÜBER IHRE ARBEIT

Im Gespräch betont Elshan Ghasimi, dass jedes der interpretierten Objekte gehört werden kann. Diese würden selbst Töne, Stimmen, Melodien zu uns tragen.

Sich selber versteht sie als eine Begleiterin. Zwinkernd charmant fügt sie hinzu, das sie durch einen großen Garten führe. Die musikalischen Miniaturen sind die vielleicht 47 Sekunden die man gemeinsam an einer Rose stehen bleibt und an dieser riechen kann. Dann wird man weitergeführt.

Bouqdib 1970er

Elshan Ghasimi

Michal Martychowiec

ZUR ZIFFER 19

El Arbi Bouqdib ist Autor mehrerer unveröffentlichter Bücher. Sein von ihm selbst so bezeichnetes Magnum Opus, ist die Verifikation des Korans durch eine numerische Methode. Bei dieser Methode spielt die Primzahl 19 die zentrale Rolle. Ohne behaupten zu wollen ein volles Verständnis dieses Teil von Bouqdibs Arbeit zu haben, greifen wir dieses Element spielerisch auf. Die Nummer 19 wird ein roter Faden, eine Ariadne. Ein weiteres Erinnerungs- und Leitmotiv.

 

FRAGMENT ÜBER ALLGEMEINHEIT UND DAS NACHLEBEN DER VERGANGENHEIT

El Arbi Bouqdib suchte sein ganzes Leben nach der Theorie und wissenschaftlichen Erklärung hinter seinen religiösen und magischen Erfahrungen. Dabei lagen diese weit jenseits von dem was wir im Westen als Realwelt annehmen.

Verlebendigen wir eine Person, wenn wir Dinge aus ihrem Nachlass besingen? Betreiben wir damit Geisterbeschwörung und Ahnenkult? Was passiert, wenn wir ein Gedicht rezitieren?

Eine Allgemeine Dimension tut sich auf: die Frage nach der generellen Struktur der Beziehung zu dem was nicht mehr ist und doch wirkt.

„Das Vergangene ist nicht tot; es ist noch nicht einmal vergangen“, lautet die berühmte erste Zeile von Faulkners Buch Requiem für eine Nonne.

 

GEDANKE ÜBER DEN STATUS DER OBJEKTE AUS BOUQDIBS NACHLASS

Die physische Abwesenheit einer Person hat die Menschen seit jeher veranlasst, Bildnisse, persönliche Gegenstände oder gar Teile des Körpers der vermissten Person aufzubewahren. Es sind diese Objekte, deren eigentlicher Wert nicht so sehr im Materiellen, als vielmehr im Auratischen liegt.

Es besteht eine grundsätzliche Verwandtschaft zwischen Souvenir, Relikt und Kunstobjekt, denn beide besitzen die paradoxe Doppeldeutigkeit, Ding und Verweis zugleich zu sein.

Das Grab von Friedrich von Hardenbergs' (Novalis) in Weißenfels

ANSCHMIEGSAM IST DIE ROMANTIK

Einer der Doyens der frühen Romantik, Friedrich v. Hardenberg (Novalis) schrieb 1799: „Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts als eine qualitative Potenzierung.“ Als hätte er dies im Chor mit der wichtigsten Künstlergestalt des 20. Jahrhundert, Marcel Duchamp, gesungen...! Als hätten sie die Kunst, seit Ende des 19. Jahrhundert, gemeinsam erfunden.

Beide wollen (u.a.!) eins: Eine Reflexionsverschiebung über unsere Wirklichkeit, hin zur Wirklichkeit. Akte der Anschauung werden durch Aufladung poetisiert. Plötzlich schauen und begreifen wir eine Diskette oder einen kleinen, selbstgebauten Magnetfeldgenerator als komplexes Zeichensystem.

Wir romantisieren bewusst, indem wir verändern, zersplittern, monumentalisieren, besingen, besprechen und indem Kontexte, Größen, Blick- und Leserichtungen verschoben werden: „Wie oben, so unten; wie innen, so außen;“ hat man früher gesagt.

 

GEDANKE ÜBER DEN STATUS DER OBJEKTE IM ALLGEMEINEN

Die Objekte und Bilder sind Souvenirs (franz. souvenir Erinnerung), Dokumente eines Lebens, Erinnerungssteine und im Zusammenhang unserer Erzählung Symbole, Chiffren und beredte Kunstwerke. Jedes Foto, könnte man sagen, versiegelt die Zeit.

ABSCHLIEßENDE NOTIZ ZUM EL ARBI BOUQDIB ARCHIVE

Ziel des El Arbi Bouqdib Archives und aller mit diesem verbundenen künstlerischen und kuratorischen Tätigkeiten ist die poetische Rekonstruktion des Leben Bouqdibs und die Präsentation, Einbettung und Hinterfragung seiner in jahrzehntelanger Arbeit entstandenen Forschungsergebnisse. Diese erzählende und poetisierende Form der Aufarbeitung ist das Werk einer wachsenden Zahl unterschiedlicher Autoren und Autorinnen.

El Arbi Bouqdib auf seinem Motorrad (unbekannt)